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Große Häuser
Leipzig, DE
Masterthesis
2020
„Wir wohnen. Wir könnten nicht leben, wenn wir nicht wohnten. Wir wären unbehaust und schutzlos. Ausgesetzt einer Welt ohne Mitte. Unsere Wohnung ist die Weltenmitte. Aus ihr stoßen wir in die Welt vor, um uns auf sie wieder zurückzuziehen. Von unserer Wohnung aus fordern wir die Welt heraus, und wir fliehen vor der Welt in unsere Wohnung. Wir wohnen.“ (Vilém Flusser [ 1993 ] aus: „Dinge und Undinge – Phänomenologische Skizzen“)
Die Frage nach neuem Wohnraum in Großstädten ist eine allgegenwärtige und immer lauter werdende. Hinzu kommt, dass die standardisierten Wohnungstypologien keine angemessene Antwort auf die immer individueller werdenden Lebensentwürfe ihrer Bewohner geben können. Der Anteil „klassischer Familien“ sinkt zugunsten einer steigenden Anzahl von Einpersonenhaushalten. Gleichzeitig zeigen Umfragen jedoch, dass gegenseitige Unterstützung, speziell in Zeiten von Entfamiliarisierung, wichtig ist und eine immer größere Anzahl von Menschen in selbst gewählten Gemeinschaften leben möchte. Gerade in Ausnahmesituationen, wie wir sie derzeit weltweit erleben, wird deutlich, dass die Wohnung und die Hausgemeinschaft mehr sind, als reiner Rückzugsort. Sie wird zum Zentrum unseres Lebens und muss Aufgaben übernehmen die über das reine „Wohnen“ hinausreichen.
Ausgangspunkt der Bearbeitung ist die brachliegende Fläche des ehemaligen Eutritzscher Freiladebahnhofs im Norden Leipzigs, welche stellvertretend für eine Vielzahl ungenutzter, innerstädtischer Freiflächen steht und Raum für Nachverdichtung bietet. Die städtebauliche Grundlage bildet der Masterplan, welcher aus einem Wettbewerb im Jahr 2017 hervorging. Die zentralen, strukturellen Elemente des bearbeiteten Blocks bilden die Kerne, welche abwechselnd Erschließung und Nasszellen aufnehmen. Dazwischen liegen Entrée und Küchenbereich. Wandvorsprünge an den Fassaden und der Kernzone gliedern die außenliegenden Schichten in 16m2 große Raumeinheiten, die von den Bewohnern in ihrer Nutzung frei definiert werden können. Den Übergang zum Außenraum bildet die Dämmbetonfassade, welche durch ihre Tiefe Austritte in allen Raumeinheiten ermöglicht und somit die Nutzung der Raumeinheiten nicht vordefiniert. Die bodengleichen Faltschiebefenster aus Aluminium ermöglichen die Reduktion der Schwelle auf ein Minimum und verzahnen das Innen und Außen. Entsprechend der diversen Lebensentwürfe, soll das Haus als robuste Infrastruktur verstanden werden, die den aktiven Raumgebrauch, sowie die emotionale Besetzung des Umfelds durch die Bewohner fördert. Die Neutralität der Struktur soll hierbei nicht nur der ersten Generation als Ort der Selbstverwirklichung dienen, sondern durch seine Wandelbarkeit eine Aneignung der Bewohner über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes ermöglichen. Durch den unkomplizierten Ausbau der Betonstruktur mit Holzelementen kann individuell definiert werden, inwiefern die Raumeinheiten untereinander geschaltet werden, wodurch verschiedene Wohnungstypologien und -größen potenziell überall im Gebäude möglich sind.
Bei der Konstruktion des Gebäudes stand die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Diese soll hier jedoch nicht im engsten Sinne verstanden werden, sondern bezieht sich vielmehr auf die Dauerhaftigkeit des Baukörpers. Durch den Einsatz weniger, dafür jedoch hochwertiger und langlebiger Materialien können die Instandhaltungskosten des Gebäudes über den gesamten Lebenzyklus auf ein Minimum reduziert werden. Die Materialien selbst sind alle roh belassen und werden nicht verkleidet, wodurch sowohl der Alterungsprozess als auch das Leben der Bewohner in dem Haus ablesbar wird. Gleichzeitig führt die flexible Gestaltung der Grundrisse durch zu- und abschaltbare Raumeinheiten dazu, dass sich das Gebäude ohne große Eingriffe an die Bedürfnisse seiner Bewohner anpassen lässt und wirkt auf diese Weise unnötigem Leerstand entgegen. So ermöglicht die solide Grundstruktur auch zukünftige und neue Wohnformen zu realisieren.