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Die Insel
Zürich, CH
Interner Studierendenwettbewerb
mit Mara Sommerlatte
2019
Ein innerer Drang, ein Sehnen nach Sich, einer Person, einer Zeit, einem Ort. Die Sehnsucht als Krankheit des schmerzlichen Verlangens. Süß die Phantasie über das Ersehnte, bitter das Wissen um deren Unerreichbarkeit. Die Melancholie scheinbar unvereinbar mit der treibenden Kraft in Uns.
Inmitten der Stadt sehnt er sich nach einem Ort, der ihn aus dem alltäglichen und hektischen Lebenskampf herauslösen und an einem übergeordneten, vielleicht sogar göttlichem Prinzip oder Ordnungssystem teilhaben lässt. Ihm gegenüber eine scheinbar unüberwindbare Festungsmauer aus rot gefärbtem Beton, welche abweisend ihren blühenden Inhalt vor der rauen Umwelt zu schützen versucht. In ihm das starke Begehren, ein verborgener Wille, hinter diesen Mauern das Ziel seines Sehnens gefunden zu haben. Woher dieses unaufhörliche, sein Denken und Handeln motivierende, Gefühl herrührt, vermag er nicht zu bestimmen. Es leitet, drückt und schiebt, zerrt und brennt bereits sein ganzes Leben.
Mit langsamen Schritten nähert er sich dem emporragenden Eingang. Ein kurzes Innehalten noch, bevor er die Schwelle betritt und sich in einem trüben Halbdunkel wiederfindet. Bereits jetzt scheint die Welt überwunden. Dem Gang folgend erreicht er eine Treppe, welche ihn hinunter ins Ungewisse leitet. Die letzte Stufe hinter sich lassend erblickt er das gerahmte Bild eines dichten Birkenwaldes. Geblendet von der Sonne verengen sich seine Pupillen, die ausgehungerten Lungen füllen sich mit Luft, das Herz beginnt zu rasen.
Die sich aufweitenden Mauern führen ihn durch die Birkenstämme, deren Farben zwischen weiß und hellbraun changieren. Über ihm das schützende Blätterdach, welches in den verschiedensten Grün- und Gelbtönen zu leuchten scheint. Unter ihm ein feiner Film aus weißen Kieselsteinen, die jeden seiner Schritte geräuschvoll begleiten und dem herabfallenden Blattwerk eine Leinwand sind. Dazwischen er.
Mit jedem weiteren Schritt lichten sich die Birken und durchlaufen die Verwandlung hin zu einem artifiziellen Säulenwald, deren Zentrum eine tempelähnliche Struktur bildet. Über zwei Stufen gelangt er auf eine umlaufende Plattform, die ihn zu einer ausladenden Treppe führen. Noch bevor er auf die höher gelegene Ebene gelangt, erreicht ein angenehmer Duft seine Nase. Oben angekommen wird sein Blick auf ein Feld voll Gräsern und Wildblumen gelenkt, welches, gleich einem Gemälde, gerahmt vor ihm liegt.
Das Betreten des Feldes gibt die Sicht auf den Himmel frei, die Berührung der weichen Halme auf seiner Haut lassen ihn beim Durschreiten erschaudern, das leise Surren der Insekten um ihn herum führen zu vertrauter Geborgenheit. Am Ende des Pfades betritt er einen terrestrischen Block, welcher als optischer Apparat analog zu einem Kaleidoskop funktioniert. Wie eine Abfolge verschiedener Bilder gibt das Gebäude den Blick in die Kronen frei und entzieht ihn wieder, während er das Zentrum umläuft. In diesem angekommen, nimmt er auf der Bank platz. Hier sind die äußeren Einflüsse auf ein Minimum reduziert. Lediglich das zentrale Wasserbecken spiegelt den wie durch eine Linse eindringenden Himmel und fokussiert diesen. Hier kommt er zur Ruhe. Endlich Ruhe.
Nach einiger Zeit erhebt er sich und begibt sich auf den Rückweg. Erst jetzt fallen ihm Details auf, welche er bei seinem Hinweg nicht wahrgenommen hatte. Er hört das Rauschen der Birkenzweige, sieht die feine Maserung der Stämme und erkennt das Schattenspiel auf dem Boden als zweidimensionale Zeichnung. Die Mauern beginnen sich zu verjüngen, der Wald verdichtet sich. Er bereitet sich auf den Abschied vor, da sieht er auch schon die Messinglettern die ihm das Ende seines Weges verkünden. Ein letztes Mal durchschreitet er die Mauer, die im Inneren mehr einem Gefäß, denn einer Festung ähnelt. So unmittelbar sein Betreten der Insel war, so direkt wird er auch wieder in die Stadt entlassen.